Ein politischer Roman

Raul Zelik liest in der Kulturfabrik zum ersten Mal aus „Der bewaffnete Freund“

Literatur soll politischer werden, etwas zu sagen haben und von gesellschaftlicher Relevanz sein. Diese Forderung wird von der Literaturkritik, aber auch von einzelnen Autoren wie beispielsweise Juli Zeh immer wieder gestellt. Der Schriftsteller Raul Zelik ist keineswegs unpolitisch, vor allem nicht mit seinem neuen Buch „Der bewaffnete Freund“. Dabei ist es keine Auseinandersetzung mit deutschen Verhältnissen, sondern mit dem Baskenland und dem Terrorismus. Ein passender Autor für die Programmreihe „Nachtzeile“, die vornehmlich Schriftsteller zu politischen und sozialen Themen in die Kulturfabrik Löseke einlädt und an diesem Abend mit Ameis Buchecke und dem Infoladen kooperierte.
Noch ist „Der bewaffnete Freund“ nicht erschienen und es ist das erste Mal, dass Zelik aus diesem Buch vor Publikum liest. Sein T-Shirt gegen den G8-Gipel ist ein klares Statement, während der Text sich einer Eindeutigkeit eher entzieht und einen differenzierten Blick auf die gewählte Thematik wirft. Welche das genau ist, erklärt Zelik zu Beginn. Er berichtet von der hohen Zahl der Basken, die in der Illegalität leben, von spanischer Polizeigewalt und vor allem auch vom Schriftsteller Joseba Sarrionandia. 1980 wurde Sarrionandia inhaftiert und 1985 während eines Gefängniskonzertes spektakulär befreit. Seitdem lebt er in der Illegalität, veröffentlicht weiterhin Bücher und ist einer der meist gelesenen baskischen Autoren. Soviel zum historischen Hintergrund des Romans. „Der bewaffnete Freund“ erzählt aus der Sicht von Alex. Einem Deutschen, der sich in Bilbao aufhält und „über europäische Identität“ forscht. Sein Freund Zubieta war es, der Sarrionandia befreite und seitdem in Brasilien im Untergrund lebt. Zubieta kehrt nach Spanien und somit auch wieder in Alex Leben zurück. Es ist ein dialoglastiger, eher handlungsarmer Roman, der beim Zuhören ein hohes Maß an Konzentration voraussetzt. Doch kleine Beobachtungen sind es, die die Lesung nicht allzu angestrengt wirken lassen. So stellt Alex beispielsweise fest: „Das Schlimmste ist das Neo-Hippieske. Backpacker, die sich für Aussteiger halten, aber in Wirklichkeit nur als neoliberale Vorhut des Pauschaltourismus unterwegs sind.“ Einige Rezensenten werden dem Text vorwerfen, thesenhaft, langatmig und verschachtelt zu sein. Ähnlich wie es vor einigen Jahren Norbert Gstreins Jugoslawienkriegsroman „Das Handwerk des Tötens“ vorgeworfen wurde. Doch gerade ein Roman mit politischem Hintergrund verlangt eine ausgewogene Erzählweise. In der anschließenden Diskussion ist Zelik direkter: Er wirft Spanien vor, selbst Mittel des Terrors anzuwenden, berichtet von Todesschwadronen und Polizeifolter. Einen Friedensprozess hält er für gescheitert und glaubt, dass die ETA wieder Anschläge verüben wird. Zelik ist sich des Exotenthemas seines Buches bewusst. Da die Europäer immer wieder die Zustände im Gefangenenlager „Guantanamo“ anklagen, möchte er den Blick auf das in Europa begangene Unrecht schärfen. And diesem Abend ist es ihm jedenfalls gelungen.

Geschrieben für die "Hildesheimer Allgemeine Zeitung". Veröffentlicht am 23.05.2007

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