Babylonisches Sprachgewirr
Das Trio „Theatre du Pain“ mit „Wortbrot und Fischgesang“ zu Gast in der Kulturfabrik
Die Welt erklären möchte das Bremer Trio „Theatre du Pain“ nicht. Gemäß dem Tocotronic-Motto „Pure Vernunft darf niemals siegen“ setzt man auf Chaos und Irritation. Mit ihrem neuen Programm „Wortbrot und Fischgesang“ zeigten die drei Schauspieler und Multiinstrumentalisten im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Blue Moon“ in der Kulturfabrik: Kunst lässt sich empfinden, verstehen muss man sie nicht.
Bereits das Bühnenbild weckt Erwartungen. Am rechten Bühnenrand steht ein vertikal aufgestelltes Bett, links ein alter Filmprojektor und von der Decke baumelt ein Schlittschuh. Ansonsten: Blasinstrumente, Gitarren und ein Schlagzeug. Ein Kuriositätenkabinett, dessen Bedeutung sich kaum erahnen lässt.
Der Abend beginnt biblisch. Den Satz „Im Anfang war das Wort“ versucht eine Frau im Off vergeblich einem stotternden Jungen beizubringen. Zugleich halten die drei Schauspieler Einzug. Mateng Pollkläsener wird von Wolfgang Suchner und Hans König in einem Metallbottich durch den Saal gezogen, nassgespritzt, mit Gurken gefüttert und auf die Bühne gekippt. Anschließend wird ihm andeutungsweise der Kopf mit einer Motorsäge geöffnet, der Inhalt mit Zutaten verrührt und in einer sahnemäßigen Konsistenz zu Essen gegeben. Im Hintergrund läuft der Beach Boys-Klassiker „Good Vibrations“. Als wäre es an Grausamkeiten noch nicht genug, gebiert Pollkläsener durch einen Kaiserschnitt eine riesige Zunge. Eine groteske Szenerie, lustig und brutal zugleich, die an das absurde Theater oder an die surrealistischen Filme von Buñuel und Dali erinnert. Auf eine dramaturgische Handlung wird in den meist kurzen Szenen verzichtet und die Namen, Berufe oder biographische Details der drei Akteure spielen keine Rolle. Lediglich durch ihre billigen, aber farblich unterschiedlichen Anzüge, lässt sich eine irgendwie geartete Zugehörigkeit erahnen. Der Zuschauer wird so auf die eigene Vorstellungskraft zurückgeworfen und ist angehalten, sich selbst zurechtzufinden.
Doch Anhaltspunkte gibt es. Strukturiert wird das Programm durch fremdsprachige Telefonanrufer mit denen eine Kommunikation, als Folge des babylonischen Sprachengewirrs, unmöglich erscheint. Auch innerhalb der eigenen Sprache kommt ein wirklicher Dialog nicht zustande. Die Gespräche folgen keiner Logik und sind von dem Selbstbehauptungswillen des einzelnen geprägt. Vielleicht ist es auch einfach nur Ausdruck von Panik. Denn so die melancholische Feststellung: „Die Worte entsprechen der Welt nicht mehr“. Ein Gespräch über die Gründung einer GmbH wird zu einem Gespräch über verhältnismäßiges Durchgreifen im Sinne der Gemeinnützigkeit und die kulturelle Projektförderung zur Förderung des Oktoberfestes. Auch die Musik bietet da keine Abhilfe. „Ich will ein besserer Mensch werden“, „Reise nach Fürchtebrücken“ oder „Es liegt ein Scheißhaufen im Zimmer“ heißen die Songs und parodieren gekonnt populäre Musikstile. Mal balladesk mit Akustikgitarre, mal rockig mit elektrischer Gitarre, Tuba und Schlagzeug. Es ist eine verführerische Musik, die in der Lage ist, jeden Text an den Mann zu bringen. Nur schwer konnte sich das Publikum von „Theatre du Pain“ und somit von einem nicht ganz schmerzfreien Humor verabschieden.
Mein Text erschien am 26. Juni in der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung"
Die Welt erklären möchte das Bremer Trio „Theatre du Pain“ nicht. Gemäß dem Tocotronic-Motto „Pure Vernunft darf niemals siegen“ setzt man auf Chaos und Irritation. Mit ihrem neuen Programm „Wortbrot und Fischgesang“ zeigten die drei Schauspieler und Multiinstrumentalisten im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Blue Moon“ in der Kulturfabrik: Kunst lässt sich empfinden, verstehen muss man sie nicht.
Bereits das Bühnenbild weckt Erwartungen. Am rechten Bühnenrand steht ein vertikal aufgestelltes Bett, links ein alter Filmprojektor und von der Decke baumelt ein Schlittschuh. Ansonsten: Blasinstrumente, Gitarren und ein Schlagzeug. Ein Kuriositätenkabinett, dessen Bedeutung sich kaum erahnen lässt.
Der Abend beginnt biblisch. Den Satz „Im Anfang war das Wort“ versucht eine Frau im Off vergeblich einem stotternden Jungen beizubringen. Zugleich halten die drei Schauspieler Einzug. Mateng Pollkläsener wird von Wolfgang Suchner und Hans König in einem Metallbottich durch den Saal gezogen, nassgespritzt, mit Gurken gefüttert und auf die Bühne gekippt. Anschließend wird ihm andeutungsweise der Kopf mit einer Motorsäge geöffnet, der Inhalt mit Zutaten verrührt und in einer sahnemäßigen Konsistenz zu Essen gegeben. Im Hintergrund läuft der Beach Boys-Klassiker „Good Vibrations“. Als wäre es an Grausamkeiten noch nicht genug, gebiert Pollkläsener durch einen Kaiserschnitt eine riesige Zunge. Eine groteske Szenerie, lustig und brutal zugleich, die an das absurde Theater oder an die surrealistischen Filme von Buñuel und Dali erinnert. Auf eine dramaturgische Handlung wird in den meist kurzen Szenen verzichtet und die Namen, Berufe oder biographische Details der drei Akteure spielen keine Rolle. Lediglich durch ihre billigen, aber farblich unterschiedlichen Anzüge, lässt sich eine irgendwie geartete Zugehörigkeit erahnen. Der Zuschauer wird so auf die eigene Vorstellungskraft zurückgeworfen und ist angehalten, sich selbst zurechtzufinden.
Doch Anhaltspunkte gibt es. Strukturiert wird das Programm durch fremdsprachige Telefonanrufer mit denen eine Kommunikation, als Folge des babylonischen Sprachengewirrs, unmöglich erscheint. Auch innerhalb der eigenen Sprache kommt ein wirklicher Dialog nicht zustande. Die Gespräche folgen keiner Logik und sind von dem Selbstbehauptungswillen des einzelnen geprägt. Vielleicht ist es auch einfach nur Ausdruck von Panik. Denn so die melancholische Feststellung: „Die Worte entsprechen der Welt nicht mehr“. Ein Gespräch über die Gründung einer GmbH wird zu einem Gespräch über verhältnismäßiges Durchgreifen im Sinne der Gemeinnützigkeit und die kulturelle Projektförderung zur Förderung des Oktoberfestes. Auch die Musik bietet da keine Abhilfe. „Ich will ein besserer Mensch werden“, „Reise nach Fürchtebrücken“ oder „Es liegt ein Scheißhaufen im Zimmer“ heißen die Songs und parodieren gekonnt populäre Musikstile. Mal balladesk mit Akustikgitarre, mal rockig mit elektrischer Gitarre, Tuba und Schlagzeug. Es ist eine verführerische Musik, die in der Lage ist, jeden Text an den Mann zu bringen. Nur schwer konnte sich das Publikum von „Theatre du Pain“ und somit von einem nicht ganz schmerzfreien Humor verabschieden.
Mein Text erschien am 26. Juni in der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung"
tarkowskij - 26. Jun, 19:19