Show must go on
Karl Miller nimmt mit selbst geschriebenem Musical Abschied
Still und heimlich hätte Karl Miller Hildesheim verlassen und sein neues Engagement am Deutschen Theater in Göttingen antreten können. Doch so einfach geht das nicht. Vor allem nicht in einer gut funktionierenden Beziehung. Denn ohne Zweifel ist die Liebe zwischen Karl Miller und seinem Publikum eine gegenseitige. Und so verabschiedete er sich am Donnerstagabend im Stadttheater von seinen treuen Zuschauern mit einem wirklich großen Knall. Nicht mit der üblichen Late-Night Show, sondern mit einem eigens geschriebenen Musical.
Miller braucht nicht viel, um das Publikum für sich zu gewinnen. Kaum betritt der Engländer im weißen Anzug und pinkem Hemd die Bühne, schon setzt der tosende Applaus ein. Dabei hat Miller die CD mit dem berühmten Jingle seiner Show vergessen und ist, so muss er gestehen, der einzige, der seinen Text nicht auswendig kann. Karl Miller ist der Star des Abends und zugleich der Mann im Hintergrund. So wie ein Woody Allen-Film ohne Woody Allen. Auch wenn er im Stück nur als Erzähler auftritt, sind die Dialoge und Songtexte typischer Karl Miller-Humor. Thorsten zum Felde hat die sehr musicalgerechten Lieder – zwischen Rockoper und Kitschballade - komponiert. Und so singt der King (Arnd Heuwinkel) den angemessen rockigen Eröffnungssong „Ich bin eine Rampensau“. Er ist ein Großkotz in Leopardenjacke und Schlangenlederhose. Ein Dieter Bohlen des Kulturbetriebs, dem alles gelingt: ob Theater, Film, Literatur oder Musik. Völlig anders der sensible Schauspieler (Moritz Tittel). Will der King mit „Ups, das waren meine Hosen“ den finanziellen Erfolg, träumt der Schauspieler mit „Die Hunde von Tublonsk“ vom ernsten Theater. Eigentlich hat der Schauspieler keine Chance, sich durchzusetzen. Gäbe es da nicht die Frauen. Die Künstlerin (Lisa Scheibner) verführt ihn mit ihrem radikalem Theaterverständnis und Baby Doll (Antonia Tittel) mit ihrem Sexappeal. Die eine macht ihn somit zum Mittäter an Kings Ermordung und die andere zum willenlosen Trottel, der seine Ideale verrät.
Einige grandios komische Szenen sind Karl Miller geglückt. Beispielsweise wenn der King nicht als Geist, sondern als Zombie zurückkehrt oder die beiden Frauen sich einen Kampf liefern, der an Quentin Tarantinos „Kill Bill“ erinnert. Der Intendant (Karl-Heinz Ahlers) versteht die Stücke nicht mehr und die Pressetante (Gisela Aderhold) will aus allem eine Sexgeschichte machen. Die düsteren Schwestern (Bernward Twickler, Ludmilla Heilig, Bettina Sörgel), angelehnt am Chor griechischer Tragödien, und Karl Miller nehmen allein schon durch ihre Präsenz für sich ein. Alles in allem eine Mischung aus seriösem Theater, Musical und Pulp Fiction. Und am Ende wirklich der große Knall. Die Künstlerin sieht sich zur Sprengung genötigt und das Ensemble singt dem Abend angemessen „Who knows what tomorrow will bring“. Die Zukunft ist ungewiss. Oscarreif bedankt sich Karl Miller bei den Schauspielern, beim Haus, bei seiner Frau und Tochter und natürlich auch bei seinem Publikum. Nicht enden wollende Standing Ovations folgen und am Schluss konnte man sich auf der Bühne von Karl Miller mit Sekt persönlich verabschieden. Nur gut, dass Göttingen nicht allzuweit entfernt ist.
Mein Text wurde am 16. Juli in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung veröffentlicht
Still und heimlich hätte Karl Miller Hildesheim verlassen und sein neues Engagement am Deutschen Theater in Göttingen antreten können. Doch so einfach geht das nicht. Vor allem nicht in einer gut funktionierenden Beziehung. Denn ohne Zweifel ist die Liebe zwischen Karl Miller und seinem Publikum eine gegenseitige. Und so verabschiedete er sich am Donnerstagabend im Stadttheater von seinen treuen Zuschauern mit einem wirklich großen Knall. Nicht mit der üblichen Late-Night Show, sondern mit einem eigens geschriebenen Musical.
Miller braucht nicht viel, um das Publikum für sich zu gewinnen. Kaum betritt der Engländer im weißen Anzug und pinkem Hemd die Bühne, schon setzt der tosende Applaus ein. Dabei hat Miller die CD mit dem berühmten Jingle seiner Show vergessen und ist, so muss er gestehen, der einzige, der seinen Text nicht auswendig kann. Karl Miller ist der Star des Abends und zugleich der Mann im Hintergrund. So wie ein Woody Allen-Film ohne Woody Allen. Auch wenn er im Stück nur als Erzähler auftritt, sind die Dialoge und Songtexte typischer Karl Miller-Humor. Thorsten zum Felde hat die sehr musicalgerechten Lieder – zwischen Rockoper und Kitschballade - komponiert. Und so singt der King (Arnd Heuwinkel) den angemessen rockigen Eröffnungssong „Ich bin eine Rampensau“. Er ist ein Großkotz in Leopardenjacke und Schlangenlederhose. Ein Dieter Bohlen des Kulturbetriebs, dem alles gelingt: ob Theater, Film, Literatur oder Musik. Völlig anders der sensible Schauspieler (Moritz Tittel). Will der King mit „Ups, das waren meine Hosen“ den finanziellen Erfolg, träumt der Schauspieler mit „Die Hunde von Tublonsk“ vom ernsten Theater. Eigentlich hat der Schauspieler keine Chance, sich durchzusetzen. Gäbe es da nicht die Frauen. Die Künstlerin (Lisa Scheibner) verführt ihn mit ihrem radikalem Theaterverständnis und Baby Doll (Antonia Tittel) mit ihrem Sexappeal. Die eine macht ihn somit zum Mittäter an Kings Ermordung und die andere zum willenlosen Trottel, der seine Ideale verrät.
Einige grandios komische Szenen sind Karl Miller geglückt. Beispielsweise wenn der King nicht als Geist, sondern als Zombie zurückkehrt oder die beiden Frauen sich einen Kampf liefern, der an Quentin Tarantinos „Kill Bill“ erinnert. Der Intendant (Karl-Heinz Ahlers) versteht die Stücke nicht mehr und die Pressetante (Gisela Aderhold) will aus allem eine Sexgeschichte machen. Die düsteren Schwestern (Bernward Twickler, Ludmilla Heilig, Bettina Sörgel), angelehnt am Chor griechischer Tragödien, und Karl Miller nehmen allein schon durch ihre Präsenz für sich ein. Alles in allem eine Mischung aus seriösem Theater, Musical und Pulp Fiction. Und am Ende wirklich der große Knall. Die Künstlerin sieht sich zur Sprengung genötigt und das Ensemble singt dem Abend angemessen „Who knows what tomorrow will bring“. Die Zukunft ist ungewiss. Oscarreif bedankt sich Karl Miller bei den Schauspielern, beim Haus, bei seiner Frau und Tochter und natürlich auch bei seinem Publikum. Nicht enden wollende Standing Ovations folgen und am Schluss konnte man sich auf der Bühne von Karl Miller mit Sekt persönlich verabschieden. Nur gut, dass Göttingen nicht allzuweit entfernt ist.
Mein Text wurde am 16. Juli in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung veröffentlicht
tarkowskij - 20. Jun, 09:07